Kaliningrad. Die Wahl am 14. Oktober verspricht Spannung: Einer der bekanntesten russischen Rechtsextremisten will in Kaliningrad Bürgermeister werden. Auch die Piratenpartei hat einen Kandidaten aufgestellt.
Kaliningrads Oberbürgermeister Alexander Jaroschuk blickte seit ein paar Tagen wieder entspannter aus dem Anzug. Das Moskauer Präsidium der Kreml-Hauspartei „Einiges Russland“ (ER) hatte seine Spitzenkandidatur bestätigt, gegen die Einwände von Gouverneur Nikolai Zukanow, Jaroschuks Erzrivalen auf der politischen Bühne der Exklave.
Überstanden war der ER-interne Vorwahlkampf, der hinter den Kulissen zu einer Schlammschlacht ausgeartet war. Doch auch Jaroschuks schärfste Konkurrenten, die dem Amtsinhaber noch hätten gefährlich werden können, Senator Nikolai Wlasenko und Ex-Oberbürgermeister Juri Sawenko, gaben auf.
Die Wahl schien gelaufen am 14. Oktober. Nach allem, wie Wahlen so laufen im Russland der gelenkten ER-Diktatur, hat der kremltreue Alexander Jaroschuk die größten Chancen auf den Sieg.
Doch so ganz ausgemacht scheint das nicht mehr, seit sich die Liste der Kandidaten füllt. Einige seiner Herausforderer könnten – in der Summe – Jaroschuk die sicher geglaubte Wiederwahl noch erschweren. Zumindest im ersten Wahlgang.
Durchaus seriöse Chancen auf ein zweistelliges Ergebnis darf man dem Kandidaten der Piratenpartei Russlands prognostizieren. Der Kaliningrader Blogger Dmitri Jewsjutkin, ein ehemaliger Marineoffizier, gehörte zu den Aktivisten der Proteste gegen Wahlfälschung und die Allmacht der Kremlpartei.
Er dürfte vor allem die junge und jüngere Internet-Generation hinter sich bringen, und das ist in Kaliningrad eine Hausnummer. Jewsjutkin übertreffe alle anderen Kandidaten in offenen, transparenten und positiven Informationen über seine Ansichten und seine Partei, urteilt das politische Wochenblatt „39. Region“ über den Freibeuter der Kaliningrader Polit-Szene.
Mehr oder weniger bekannte Namen
Abzuwarten bleibt auch, wie der Auftritt von Dmitri Djomuschkin ausgeht. Der russische Neonazi, Gründer der halblegalen rechtsextremen Bewegung „Russkije“, hat der Kaliningrader Wahlkommission seine Kandidatur bereits angekündigt.
Djomuschkin gehört zum harten Kern der Nationalisten in Russland. Er zählte 1999 zu den Gründern der Slawischen Union, einer Zusammenrottung Ultrarechter, die in ihrem Emblem ein stilisiertes Hakenkreuz führt, den Holocaust leugnet und die Vertreibung der Kaukasier aus Russlands Großstädten fordert.
Dmitri Djomuschkin gehört zum harten Kern der Kaliningrader Neonazis. (Foto: vkontakte.ru)
Im Falle eines Wahlsiegs wolle er die Stadt in Königsberg rückbenennnen, soll Djomuschkin schon angekündigt haben. Ganz soweit wird es denn wohl doch nicht kommen, weder zum einen noch zum anderen.
Der Rest der bisher gehandelten Bürgermeister-Wahlbewerber verteilt sich mehr oder weniger auf bekannte Namen aus dem politischen Establishment der Provinz – allesamt keine wirklichen Herausforderer für den mächtigen Hausherrn.
Keine wirklichen Herausforderer
Kommunisten und „Gerechtes Russland“ haben sich auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt – Juri Galanin, Direktor einer großen Kaliningrader Schule. Ein ehrbarer Mann, aber für das Wahlvolk vermutlich zu unbekannt.
In der Bürgermeisterwahl zählen Gesichter und Bekanntheitsgrad mehr als Parteizugehörigkeit. Immerhin: Galanin wird auch von einigen gesellschaftlichen Organisationen der Stadt unterstützt, für ein zweistelliges Ergebnis könnte das reichen.
Die sozialliberale Partei „Jabloko“ schickt die ehemalige Schauspielerin Alexandra Jakowlewa ins Rennen. Kürzlich strahlte der TV-Kanal NTW einen Dokumentarfilm über ihr Leben und Wirken aus – war das bereits ein Wahlkampf-Spot?
Für die konservative Oppositionspartei „Patrioten Russlands“, in der Exklave Kaliningrad ein Aktivposten der regionalen Politik, wird vermutlich der Gebietsduma-Abgeordnete Jewgeni Gan antreten, ein Altgedienter des Apparats. Gan war viele Jahre Vorsitzender des Kaliningrader Stadtrats, er gilt als Mann von Ex-OB Juri Sawenko, der im Vorwahlkampf gegen Jaroschuk ausschied.
Die Nationalisten von Schirinowskis LDPR schicken in Kaliningrad bei Wahlen traditionell ihren Chef ins Rennen. Der heißt seit kurzem Alexander Wetoschkin und rangiert im Polit-Geschäft der Gebietshauptstadt unter „ferner liefen“ – ebenso wie die beiden bislang diskutierten Namen aus der „Volksversammlung des Kaliningrader Gebietes“, Alexander Iwanow und Sergej Karpuschenko.
Die Grünen stellen erst gar keinen eigenen Kandidaten auf und wollen stattdessen Jaroschuk unterstützen – auf dass es eine „Wahl ohne Konkurrenten“ werde, wie Russland Grünen-Chef Oleg Mitwol befand.
Es könnte eine spannende Wahl werden
Insgesamt läuft es wohl darauf hinaus, doch ganz ohne Gegner ist Amtsinhaber Jaroschuk nun nicht mehr. Für eine spannende Wahl scheint gesorgt, wenn alle acht bisher gehandelten Kandidaten auch tatsächlich antreten.
Die Kaliningrader Wahl ist, was die politische Bandbreite der Bewerber betrifft, durchaus ein Novum: Erstmals dürfen auch Kandidaten von Parteien antreten, die nicht im Parlament vertreten sind – Ergebnis des noch von Präsident Dmitri Medwedew gelockerten Wahlrechts nach den Protesten zum Jahreswechsel.
Der Kremlpartei passt das naturgemäß gar nicht. Die Drachensaat gehe bereits auf, wütete jüngst ein ER-Abgeordneter in der regierungsnahen „Nesawissimaja Gaseta“, die den anstehenden Wahlen einen Artikel widmete:
„In Kaliningrad wird das Bürgermeisteramt geentert. Unter Kandidaten sind ein Pirat, ein Nationalist und Opportunisten“.
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Uwe Niemeier 22.08.2012 - 18:46
Der Mörder ist der Gärtner ...
Ein Krimi, wo auf der ersten Seite schon geschrieben steht, dass der Gärtner … verliert das Interesse des Wählers, eh, ich meine des Lesers. Vor einem Monat war die Bürgermeisterwahl noch ein spannender Krimi, mit einigen interessanten Kandidaten. Heute ist alles klar, oder?
Jaroshuk wird zukünftiger Gouverneur … mein Gott, was ist denn heute los mit mir … ich meine natürlich Bürgermeister. Das kann nur noch verhindert werden, wenn die Wahlen nicht mit rechten Dingen zugehen. Und damit es mit rechten Dingen zugeht, hat sich der Gouverneur Zukanov, als Garantiegeber zur Verfügung gestellt. Beide, Jaroshuk und Zukanov, das weiß man, haben sich zum fressen gern. Wer von beiden die Katze und wer die Maus ist … vielleicht bringt der 14.10.2012 die Antwort. In über 150 Wahllokalen werden Videokameras aufgestellt – wir können also alle zuschauen – bei den Wahlen.
Jaroshuk, ein ehemaliger Militär (bitte nicht verwechseln mit KGB) hat nach seiner aktiven Zeit bewiesen, dass er Organisationstalent und Durchsetzungsvermögen hat. Er hat Firmen aufgebaut und rechtzeitig den Sprung in die Politik geschafft. In seiner ersten Wahlperiode als Bürgermeister hat er nicht alles geschafft, wovon er und die Bevölkerung Kaliningrads geträumt haben. Aber es ist vorwärts gegangen. Mit Samthandschuhen wird auch keiner in seiner Administration angefasst und auf Verwandte wird auch keine Rücksicht genommen. An sich, gepaart mit den Gedanken die er bereits geäußert hat, beste Voraussetzungen für eine zweite Wahlperiode. Zwei Jahre, … ach ich meine natürlich 5 Jahre, sind ja nur dann ein langer Zeitraum, wenn man nicht allzu viel arbeiten will.
Meine Meinung zu den anderen Kandidaten? Ich habe keine. Ich kenne sie nicht. Ach, dieser Kandidat „Rechts“ – na, vor ein paar Tagen gab es ein Foto von ihm hier im Internet. Habe mich richtig erschrocken. Da hilfts auch nichts, dass er Kaliningrad in Königsberg umbenennen will. Da geht dann wieder viel Geld drauf, für den Austausch der Denkmäler und ich brauche einen neuen Koffer für meine Ausreise.
Ich, als Nicht-Russe darf nicht wählen. Als Kaliningrader Lokalpatriot würde ich dies aber schon gerne. Ich will in dieser Stadt noch zwanzig Jahre leben, auch das Stadtleben aktiv mitgestalten und würde schon gerne meine Stimme abgeben. Aber leider … Hoffen wir also, dass die Kaliningrader die richtige Wahl treffen und wir alle in Vorbereitung der Fussball-Weltmeisterschaft 2018 den richtigen Bürgermeister mit der richtigen Mannschaft bekommen.