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Die Ruinen-Fassade des Königseck: Noch bis in die späten 80er Jahre bewohnt. (Foto: Plath/.rufo) | |
Montag, 04.02.2013
Kaliningrad: Letzte Hoffnung für die „Kreuz-Apotheke“
Thoralf Plath, Kaliningrad. Eins der bedeutendsten verbliebenen Architektur-Denkmale der Königsberger Innenstadt soll restauriert werden: das so genannte „Königseck“. Eine Rettung in letzter Minute – wenn sie gelingt.
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Kreuz-Apotheke. Wohl jeder Kaliningrader kennt dieses Haus, mancher weiß um seine Geschichte. Wie zum Mahnen an versunkene Zeit verurteilt steht die Ruine des Wohnpalais mit dem deutschen Schriftzug über toten Fensterhöhlen in der uliza Frunse.
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Ringsum Plattenblocks, kasernenkantig, zu Endlosreihen aneinandergesetzt, neun Stockwerke graues sowjetisches Kaliningrad. Von der alten Stadt blieben zwischen Schlossteich und Königstor nur Spuren. Die „Kreuz-Apotheke“ wirkt, als gehöre sie hier nicht her.
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Zu deutscher Zeit nannte man das Quartier „Königseck“. Es zählte zu den schönsten Architektur-Ensembles in einer Straße, die ihrerseits schon als eine der Prachtboulevards der Innenstadt galt. Königsstraße, der Name sagt alles.
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Nahaufnahme im Stadtpanorama Die Ruine ist zum Sinnbild geworden in den letzten 20 Jahren, zur Metapher für den Bebenriss der Geschichte zwischen Königsberg und Kaliningrad. Der gründerzeitliche Komplex und seine Umgebung erinnern wie eine Nahaufnahme im großen Stadtpanorama an die bombenverwüstete Altstadt und ihr Einebnen in der Nachkriegszeit.
Sie konfrontieren Kaliningrad auf der Suche nach einer städtebaulichen Vision mit all seiner historischen Doppelbödigkeit. Kaum ein deutscher Dokumentarfilm aus dem ehemaligen Norden Ostpreußens der letzten Jahre, der den Schriftzug nicht gezeigt hätte: „Kreuz-Apotheke“. Doch auch die russischen Medien haben das langsame Sterben des Königseck in den letzten Jahren immer wieder thematisiert.
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Nun soll das Architekturdenkmal gerettet werden – und man kann sagen, in letzter Minute. Das Kaliningrader Straßenbauunternehmen Rossban AG will das Gebäude sanieren und zu einem Wohn- und Geschäftshaus ausbauen, die Fassade soll nach historischem Vorbild restauriert werden.
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„Die Planungsunterlagen sind in der Phase der letzten Abstimmungen, wir hoffen noch in diesem Jahr mit der Restaurierung beginnen zu können“, kündigte Unternehmenssprecherin Elena Petrikina in der vorigen Woche an.
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Sanierungspläne sind nicht neu Mancher freilich wird das wohl erst glauben, wenn tatsächlich die ersten Baugerüste stehen. Denn solcher Pläne waren einige zu hören in den letzten fünf Jahren, neu an der Mitteilung ist lediglich, dass Rossban den Wiederaufbau jetzt selbst stemmen will. Die Königseck-Ruine ist bereits seit 2007 in Besitz der Firma „Zhilpromstroj“ – einer Tochtergesellschaft von Rossban.
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Die Stadt hatte dem Unternehmen die Immobilie übertragen mit der vertraglich besiegelten Auflage, das Ensemble unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten zu sanieren – soll heißen, so viel wie möglich von der historischen Bausubstanz zu erhalten. Als mögliche Nutzung brachte Zhilpromstroj unter anderem eine Kunstakademie ins Gespräch.
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Ein Projekt für die Neubabauung des Grundstücks gab es auch schon - nach Abriss der Ruine. (Foto: Plath/.rufo) | |
Doch das einzige, was Fortschritte machte seither, war der Briefwechsel zwischen Eigentümer und Kommune, geprägt von gegenseitigen Vorwürfen und Ansprüchen. Die Stadt beklagte die Untätigkeit des Investors, der wiederum, dass die Behörden ihm Dokumente vorenthielten.
Ende vorigen Jahres zog Oberbürgermeister Alexander Jaroschuk die Notbremse. Sollte an dem Gebäude nicht innerhalb kürzester Zeit mit der Rekonstruktion begonnen werde, gelte das Vertragsverhältnis zwischen Stadt und Investor als aufgehoben, drohte der Rathauschef.
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Damit kam Bewegung in die Sache. Vor zwei Wochen dann die Wende. Jaroschuk bestätigte, dass man den Vertrag verlängern werde. Rossban meint es jetzt womöglich ernst.
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Noch bis in die späten 1980er Jahre bewohnt Soviel steht fest: Es wird ein teurer Spaß. Der Verfall hat ganze Arbeit geleistet in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten. Noch bis in die späten 1980er Jahre war das Königseck bewohnt, mehrere Familien lebten in den drei Häusern mit der markanten, Züge des Historismus und des Neobarock vereinenden Prachtfassade.
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Weil damals eine Renovierung geplant war, zogen sie aus. Es war der Anfang vom Ende. Denn den Bauarbeiten gingen die Rubel aus, ehe die Handwerker überhaupt richtig angefangen hatten. Dafür verkam das vogelfreie Bauwerk in den krisengeschüttelten 1990er Jahren zum Steinbruch, am helllichten Tag geplündert für billiges Baumaterial.
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Eine historische Ansicht der Königsstraße: eine der schönsten Straßen Königsbergs. (Foto: Plath/.rufo) | |
Kinder turnten in der Ruine umher, die zusehends verfiel, mehrfach brannte es im Hof. Als im Herbst 2003 ein Obdachloser von einem herabstürzenden Mauerteil erschlagen wurde, schien das Todesurteil auch für das Königseck besiegelt.
Der damalige Bürgermeister Juri Sawenko sprach sich für den Abriss aus. Schnell machten Spekulationen die Runde, dass die Pläne für den Neubau eines Einkaufszentrums an lukrativer Stelle schon fertig auf dem Tisch lagen.
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Doch viele Kaliningrader protestierten, die Medien machten ein großes Thema draus. Das stoppte die Abrisspläne, die Stadt zog einen hohen Zaun um die einsturzgefährdete Ruine. Gnadenfrist für das Königseck.
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Krieg und Nachkriegszeit überstanden Bis dahin hatte es gleich mehrere Wunder gebraucht, dass das zwischen 1900 und 1905 erbaute Ensemble die Stürme des 20. Jahrhunderts überstand. In der Bombenglut der britischen Luftangriffe versank im August 1944 auch die Königsstraße in Schutt und Asche.
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Nur das Königseck überstand den Horror bis auf einige leichtere Schäden unversehrt, selbst die zweite Kriegswalze, als die Rote Armee Königsberg erstürmte. Als in den 1950er und 60er Jahren die Abrisskommandos ganze Straßenzüge sprengten, war das alte Königseck bereits wieder bewohnt. Aus der Apotheke war ein Friseur geworden, aus der Bäckerei nebenan eine Pelmeni-Kantine.
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Der berühmte Schriftzug "Kreuz-Apotheke". (Foto: Plath/.rufo) | |
Warum der Schriftzug „Kreuz-Apotheke“ überdauerte, während ringsum in Kaliningrad nahezu jede deutsche Inschrift aus den Fassaden gemeißelt wurde, bleibt ein Rätsel. So wurde das Königseck ein Symbol für eine Stadtgeschichte, die nun als öffentliches Tabu galt.
Ein guter Geist mochte seine Hand schützend über das Quartier gelegt haben, doch zuletzt schien die Ruine das Glück zu verlassen. Vielleicht gelingt jetzt die Rettung.
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Denkmalschutz nach wie vor ohne Konzept Die geplante Restaurierung kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass aktive Denkmalpflege immer noch ein Stiefkind ist im Bauboom Kaliningrads, der Neubauten lukrativer macht als den Erhalt historischer Bausubstanz.
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Auch in den zentralen städtebaulichen Planungen spielen Infrastrukturprojekte eine wesentlich größere Rolle. Kurzfristig erscheint das nachvollziehbar, auf lange Sicht ist es sträflich. Eine Stadt ist mehr als die Summe ihrer Wohnungen und Shoppingcenter.
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Denkmalschutz wurzelt in Kaliningrad nach wie vor in Einzelinitiativen. Immerhin, es gibt weitere, die Zahl nimmt zu. Die alte Bernsteinbörse in der uliza Portowaja, ähnlich verfallen wie das Kreuzeck, soll nun in Regie des Weltmeeresmuseums gerettet werden. Auch die historische Stadthalle am Schlossteich steht vor einer umfassenden Sanierung.
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Christof 05.02.2013 - 15:59
Kreuzapotheke
Schon seit geraumer Zeit kann man die verfallenden Reste dieses Ensembles in Google Earth bestaunen; das wirft für einen pensionierten Architekten wie mich die Frage auf, ob es denn in der Oblast Kaliningrad überhaupt noch das Grundbuch und den Kataster aus deutscher Zeit gibt, woraus zumindest die Grundstücksgröße ersichtlich wäre; zudem frage ich als Ahnungsloser, ob denn die Grundstücke in Russland immer noch dem Staat (oder jedenfalls staatlichen Behörden) gehören, da in dem Beitrag von \"Grundstücksmiete\" die Rede ist: kann ein Investor also nur auf einem ihm niemals gehörenden Grundstück bauen? (Bei uns in Österreich hieße das dann wohl, es sind nur \"Superädifikate \" möglich). Hindert das nicht die Investitionslust? Kommen denn für den gegenständlichen Fall der Kreuzapotheke nur russische Investoren in Frage? Oder würde sich auch ein westeuropäischer bzw. EU-Investor so eines denkmalgeschützten Objekts annehmen können (bei der Rechtsunsicherheit allerdings bezweifle ich, dass sich die ausländischen Investoren um so eine Aufgabe reißen)? - Jedenfalls danke ich Herrn Plath für seine kenntnisreiche Berichterstattung aus dem ehemaligen Königsberg!
Mit freundlichen Grüßen,
Christof aus Wien
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