In den Himmel gestreckte Hände erinnern am Ostseestrand von Palmnicken an das Massaker von 1945. (Foto: vesti.ru)
Montag, 31.01.2011
Holocaust-Denkmal in Jantarny eröffnet
Kaliningrad. Das Massaker von Palmnicken (heute Jantarny) war eines der letzten Nazi-Gräuel im Zweiten Weltkrieg. Erst über 60 Jahre nach Kriegsende wurde nun ein Monument an der Stelle des Verbrechens aufgestellt.
Hände, die sich gen Himmel recken und verzweifelt versuchen, sich am Leben festzuklammern: Das mehrere Meter hohe steinerne Denkmal des aus Danzig stammenden israelischen Bildhauers Frank Meisler symbolisiert den verzweifelten Überlebenskampf von über 3.000 jüdischen KZ-Häftlingen, die in der Nacht vom 31. Januar auf den 1. Februar 1945 von SS-Wachleuten am Ostseestrand von Palmnicken ermordet wurden.
Neben Meisler nehmen an der Trauerzeremonie u. a. Russlands Oberrabbiner Berl Lasar, Kaliningrads Gouverneur Nikolai Zukanow, aber auch deutsche, polnische und litauische Vertreter aus Kultur und Politik teil.
„Weder können wir noch haben wir das Recht, dieses grausige Verbrechen, das vor 66 Jahren geschehen ist, zu vergessen“, erklärt Zukanow. Dabei schien es jahrzehntelang so, als sei diese Untat tatsächlich vergessen worden.
Gnadenloser Todesmarsch ans Eis der Ostseeküste
Als die Rote Armee Ende 1944 an die deutschen Reichsgrenzen vorstieß, mussten Tausende Arbeitssklaven, herbeigeschafft aus dem KZ Stutthof, in Ostpreußen Gräben schanzen. Das sollte den Vormarsch der sowjetischen Truppen verlangsamen. Als die sowjetische Offensive begann, wurden die ostpreußischen Außenlager des KZ Stutthof aufgelöst.
Über 5.000 machten sich von Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, auf einen Todesmarsch Richtung Ostseeküste. Wer bei der eisigen Kälte nicht Schritt halten konnte, stolperte oder sich nach dem Schnee bückte, um zu trinken, wurde von den Wachmannschaften gnadenlos erschossen.
Die meisten der Opfer waren junge jüdische Frauen zwischen 18 und 40 Jahren. Etwas mehr als 3.000 – die genaue Zahl ist bis heute nicht bekannt – kamen wohl am 26. Januar zerlumpt, verfroren und halbverhungert in Palmnicken an. Eine Verpflegung war nicht vorgesehen, die SS-Trupps wollten sie lebendig in einem Bernsteinbergwerk einmauern.
Doch unerwartet regt sich Widerstand in der Gemeinde: Paul Feyerabend, Reservemajor aus dem Ersten Weltkrieg und Direktor der Staatsgüter, die zum Bernsteinwerk gehören, will den Massenmord verhindern. Die Frauen können in der Werksschlosserei übernachten. Feyerabend lässt Essen an die Gefangenen verteilen.
Mit Maschinengewehrsalven ins Meer getrieben
Solange er lebe, werde es in Palmnicken kein zweites Katyn geben, erklärt er. Die SS-Truppen fügen sich nur zeitweise. Feyerabend wird unter einem falschen Vorwand mit seinen Reservisten an die Front geschickt. Die Wachmannschaften haben nun freie Hand: In der Nacht treiben sie die Gefangenen an den Ostseestrand und jagen sie mit Maschinengewehr-Salven ins eisige Meer.
Nicht alle Frauen sterben sofort. Viele werden in der Nacht nur angeschossen und quälen sich noch tagelang, andere ertrinken zwischen den Eisschollen oder erfrieren. Nur 21 Menschen überleben das Massaker von Palmnicken.
Ein vergessenes Verbrechen
Zwei Wochen später ist die Rote Armee da. Der neue sowjetische Kommandant verspricht, der Ermordeten ständig zu gedenken. Die deutschen Einwohner Palmnickens müssen die Leichen per Hand in ein Massengrab umbetten. Doch als die Deutschen 1948 aus der Gegend vertrieben werden, gerät auch die Geschichte der jüdischen Frauen in Vergessenheit.
Als Bernsteingeologen in den 60er Jahren am Strand auf Gebeine stoßen, nehmen sie an, es handle sich um sowjetische Soldaten. Es wird ein Gedenkstein „Ewiger Ruhm den Helden“ aufgestellt und es werden vier Birken gepflanzt.
Augenzeuge bringt vergessenes Unrecht wieder ans Licht
Erst in den 90er Jahren wird das lange vergessene Massaker wieder aufgerollt: Martin Bergau, ein zur Tatzeit 16jähriger Augenzeuge der Nazi-Verbrechen, hat die Erlebnisse in seinem Buch „Der Junge von der Bernsteinküste“ verarbeitet.
Bei einem Besuch seiner alten Heimat klärt er auch die Behörden über das Massengrab auf. Es dauert noch einmal über zehn Jahre, ehe nun ein Denkmal an die Opfer des Nazi-Regimes erinnert. Auch Bergau ist bei der Eröffnung des Monuments dabei.
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Hans-Peter 09.02.2011 - 17:05
Herzlichen Glückwunsch
Sehr geehrte Damen und Herren,
es freut mich sehr, daß dieses Denkmal für die Ermordeten von Palmniken errichtet wurde.
Ich kenne die Geschichte dieses furchtbaren Verbrechens in meiner alten Heimat (geboren in Altweichsel/Freistaat Danzig)schon länger.
Selbst mache ich in der neuen Heimat (Offenburg, Nähe Strasbourg)Gedenkstättenarbeit, Führungen für Schulklassen im ehemaligen KZ Natzweiler-Struthof, Forschungen zu NS-Verbrechen.
Arbeiten wir gemeinsam daran, daß die Verbrechen der Faschisten nicht vergessen werden und bauen wir gemeinsam an einem friedlichen Europa in Freundschaft.
Ich würde mich über Kontakte zu ähnlich denkenden Menschen in Kaliningrad freuen.
Mit herzlichen Grüßen
Hans-Peter Goergens